Stellvertretender Ausschussvorsitzender Deitert verweist auf die Sitzungsvorlage IX/211 und bittet darum, Fragen an Herrn Dr. Grünewald zu richten, der als Fachanwalt für Verwaltungsrecht an der Erstellung der Coesfelder Beitragssatzung nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) beteiligt war.

 

Fraktionsvorsitzender Weber erklärt, dass er den Berechnungsfaktor für Waldgebiete in Höhe von 0,01 sowie die Festlegung der anrechenbaren Straßenbreite auf 3 m moniert habe, die ja offenbar in Anlehnung an die Coesfelder Beitragssatzung erfolgt seien und bittet um Erläuterung.

 

Dr. Grünewald erklärt, dass die Coesfelder Beitragssatzung nicht von ihm erfunden wurde, sondern auf lange Erfahrungen in Niedersachsen zurückgehe. Der dortige Städte- und Gemeindebund habe nach einem Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg aus dem Jahr 1981 die entsprechende Regelung im Jahr 1982 in seine Mustersatzung übernommen. In Nordrhein-Westfalen dagegen gebe es eine etwas eigenwillige Regelung. Aus diesem Grunde hätten viele Städte und Gemeinden lange Zeit auf eine Beitragserhebung verzichtet. Die in vielen Städten und Gemeinden eingetretene Haushaltssicherung verpflichte aber inzwischen dazu, bei Straßenausbauten Beiträge nach § 8 KAG zu erheben. Um den Ausbau von Wirtschaftswegen zu regeln, müsse zunächst festgestellt werden, was überhaupt ein Wirtschaftsweg sei. Herkömmlich seien Wirtschaftswege mit Interessentenwegen gleichgesetzt worden, erst später auch als Wege mit öffentlichem Interesse. Die anrechenbare Breite sei ein Durchschnittswert, der abhängig von den örtlichen Verhältnissen sei. Mit einer Satzung solle eine generelle Regelung geschaffen werden, die nicht jeden erdenklichen Einzelfall abdecke. Für einen Einzelfall könnten Sonderregelungen geschaffen werden.

 

Fraktionsvorsitzender Weber fragt, ob man somit für einen Wirtschaftsweg, der regelmäßig von großen Maschinen befahren werde, eine Einzelfallregelung treffen könne und die Anlieger dann für einen 4 m breiten Wirtschaftsweg anteilige Kosten übernehmen müssten.

 

Dr. Grünewald erklärt, dass der Gemeinde durch das Straßenbaubeitragsrecht die Möglichkeit gegeben werde, Anfang und Ende einer Straßenbaumaßnahme festzulegen. Wenn die Gemeinde dabei feststelle, dass die geltende Satzung nicht passe, könne die Maßnahme entweder an die geltende Satzung angepasst werden oder die Satzung müsse geändert werden.

 

Fraktionsvorsitzender Weber fragt noch einmal nach, ob es auch die Möglichkeit einer Einzelfallregelung innerhalb einer geltenden Satzung gebe.

 

Dr. Grünewald antwortet, dass es bei der Festlegung von Straßenbreiten um Höchstbreiten gehe. Entweder müsse die Baumaßnahme an die Satzung angepasst werden oder eine Satzungsänderung vorgenommen werden bzw. könne auch eine Einzelfallregelung für diese spezielle Maßnahme getroffen werden.

Zur Frage von Herrn Weber zu den Berechnungsfaktoren für Waldgrundstücke erklärt er, dass hier der Verteilungsmaßstab des § 8 des KAG zugrunde gelegt werde, der sich nach dem Vorteilsrecht oder Gebrauchswert des Grundstückes richte. Bei öffentlichen Straßen werde das häufig nach der Art der baulichen Nutzung festgelegt. Bei den Wirtschaftswegen sei das schwieriger. Die Tiefenbegrenzung greife in der Regel nicht, da sich die Grundstücke der Anlieger meist nicht direkt an der Straße bzw. am Wirtschaftsweg befinden. Er sei bei seinen Überlegungen auch hier wieder auf die Mustersatzung des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes gestoßen. Hierbei werde vom Verkehr ausgegangen, der für die Nutzung eines Grundstückes erforderlich sei. Man gehe davon aus, dass Forstwirte einen Wirtschaftsweg nur für den Holzeinschlag nutzen. Besucher würden dabei nicht mitgerechnet. Insofern ergebe sich für Waldgrundstücke der niedrige Berechnungsfaktor von 0,01. Eine Besonderheit in Niedersachsen sei, dass eine Tiefenbegrenzung vom Oberverwaltungsgericht nicht für zulässig gehalten werde, anders als in Nordrhein-Westfalen. Die Tiefenbegrenzung müsse sich hier allerdings an der ortsüblichen Grundstücksgrenze orientieren. Der Gemeinderat als Ortsgesetzgeber habe somit ein Normermessen. Es gelte, mit der Satzung eine möglichst sichere Regelung zu finden.

 

Ausschussmitglied Espelkott fragt, ob nicht auch die hohe Tonnage von großen landwirtschaftlichen Fahrzeugen bei der Belastung und evtl. Beschädigung von Wirtschaftswegen eine Rolle spiele.

 

Dr. Grünewald antwortet, dass dieses im § 9 des KAG geregelt werde. Hier werde die spezifische Nutzung dem Verursacher zugerechnet. Auch hierzu müsse man prüfen, mit welchem durchschnittlichen Standard ein Wirtschaftsweg ausgebaut werde. Wenn aus bestimmten Gründen ein stärkerer Ausbau gewünscht werde, müsse entweder die Gemeinde oder der betreffende Anlieger eintreten. Er führt hier das Beispiel eines Landwirtes an, der eine Biogasanlage auf seinem Grundstück errichten wolle. Die Gemeinde habe die Möglichkeit, ihr Einvernehmen für den Erhalt der Baugenehmigung aufgrund des Ausbaustandards des zuführenden Wirtschaftsweges zu verweigern. Wenn seitens des Landwirtes unbedingt ein Ausbau des Wirtschaftsweges gewünscht werde, um die Baugenehmigung für die Biogasanlage zu erhalten, könne eine Mehrkostenvereinbarung mit der Gemeinde getroffen werden. Dabei würde der Landwirt dann die Kosten, die über dem normalen Ausbaustandard liegen, tragen müssen.

 

Fraktionsvorsitzender Weber stellt fest, dass eine Satzungsregelung nie allen Bürgern gerecht werden könne. In der letzten Sitzung des Rates der Gemeinde Rosendahl habe er daher vorgeschlagen, regelmäßig einen Beitrag von den Bürgern zu erheben, der zweckgebunden für den Straßenausbau sei, so dass bei einer anstehenden Straßenbaumaßnahme kein Bürger mehr mit großen Summen belastet werde.

 

Dr. Grünewald antwortet, dass für die Erhebung solcher Beiträge die Zustimmung der Betroffenen oder eine gesetzliche Regelung erforderlich sei. Eine gesetzliche Regelung gebe es nicht und er gehe davon aus, dass die Zustimmung der Betroffenen schwierig zu erhalten sei. Es gebe Fälle, in denen die Straßenreinigungsgebühren mit der Grundsteuer erhoben wurden, aber er glaube nicht, dass man darüber auch noch die Straßenbaubeiträge abrechnen könne.

 

Fraktionsvorsitzender Weber entgegnet, dass dies doch Sache der Politik sei und er davon ausgehe, dass dadurch deutlich weniger Widerstand entstehe, als bei der aktuellen Regelung.

 

Dr. Grünewald antwortet, dass Gemeinden ihre Ausgaben grundsätzlich nur durch Steuern sowie Beiträge und Entgelte regeln dürfen, er sei aber der Meinung, dass man Einzelfälle auf jeden Fall lösen könne.

 

Ausschussmitglied Wigger fragt, wie die Beitragsberechnung für ein Grundstück erfolge, das von drei Straßen umgeben sei. Er fragt, ob hier auch die Eckgrundstücksregelung greife und ein Beitrag für alle drei Straßen erhoben werde.

 

Dr. Grünewald erklärt, dass hier die Satzungsregelung für zwei Straßen greife. Bei weiteren Straßen müsse die Billigkeit geprüft werden. Wenn entschieden werde, dass die Beitragserhebung für die dritte Straße nicht zumutbar ist, müssten die entstehenden Kosten über die Gemeindekasse abgerechnet werden.

 

Ausschussmitglied Wigger fragt weiter, wie es sich mit einem Grundstück verhalte, das rundherum von Wirtschaftswegen umgeben sei.

 

Dr. Grünewald antwortet, dass hier der Grundsatz der Erschließung gelte. Beiträge seien nur dann zu zahlen, wenn man von der Erschließungsanlage auf das betreffende Grundstück fahren könne, d.h. es müsse eine Zufahrt zum Grundstück geben.

 

Fraktionsvorsitzender Weber stellt die hypothetische Frage, was passiere, wenn an einen Wirtschaftsweg ein Bach angrenze und so die Zufahrt zum Grundstück verhindert werde.

 

Dr. Grünewald erklärt, dass man hier unterscheiden müsse, wem der Bach gehöre. Wenn er dem Grundstückseigentümer gehöre, liege das Hindernis beim Eigentümer, der dieses dann nicht geltend machen könne. Werde der Bach nach dem Landeswassergesetz eingestuft, sei der Landwirt Miteigentümer, der Bach somit Anliegergrundstück und das weitere Grundstück des Landwirtes Hinterliegergrundstück. Ein Hinterliegergrundstück gelte aber nur dann als erschlossen, wenn es die Möglichkeit gebe, über das Anliegergrundstück zu fahren.

 

Ausschussmitglied Espelkott fragt, wie lange die KAG-Beitragssatzung der Stadt Coesfeld schon in Kraft sei und welche Erfahrungen es dort gebe.

 

Dr. Grünewald antwortet, dass die KAG-Beitragssatzung der Stadt Coesfeld seit 2014 in Kraft sei. Die KAG-Beitragssatzung der Stadt Lüdinghausen sei nach ähnlichem Muster und schon länger in Kraft. Dort seien auch schon Straßenbaumaßnahmen durchgeführt worden, die nach dieser Satzung abgerechnet wurden.

 

Ausschussmitglied Espelkott fragt, wie eine Grundstücksfläche eingestuft werde, auf der eine Windenergieanlage (WEA) errichtet werde. Er fragt weiter, ob es sich dabei um eine Gewerbefläche handelt.

 

Produktverantwortliche Brodkorb antwortet, dass mit den bisherigen Betreibern von WEA bereits Verträge geschlossen wurden, die die Kostenübernahme für die notwendige Erstellung bzw. den Ausbau von Wirtschaftswegen regeln. Ein gemeindliches Einvernehmen für den Bau einer WEA werde nur erteilt, wenn die Erschließungskosten von den Betreibern gezahlt werden.

 

Ausschussmitglied Gövert verweist auf die Regelung, wonach für Grünland, Ackerland und Gartenland ein Berechnungsfaktor von 0,03 zugrunde gelegt werden solle. Diese einheitliche Regelung scheine ihm nicht korrekt zu sein, da Ackerland doch wirtschaftlich bedeutend interessanter sei als einfaches Grün- oder Gartenland. Ackerland werde sicher auch häufiger befahren zwecks Einsaat, Düngung und Ernte.

 

Dr. Grünewald antwortet, dass man beim Entwurf der Satzung davon ausgegangen sei, wo der Verkehr hingehe und man damit eine pauschalierende Regelung treffe. Einzelfallrechte könne man dabei nicht berücksichtigen. Das sei im gesamten Abgaberecht so. Wenn der Gemeinderat das anders wünsche, habe er durchaus die Möglichkeit, weiter zu differenzieren. Er warne aber davor, weil das einen enormen Aufwand verursache.

 

Ausschussmitglied Gövert sieht bei der Nutzung der Waldflächen eine regelmäßige Nutzung, die nicht den Berechnungsfaktor von 0,01 rechtfertige.

 

Dr. Grünewald ist der Ansicht, dass dieser Faktor durchaus gerechtfertigt sei. Selbstverständlich könne der Gemeinderat auch hier aktiv werden, aber eine Forstfläche könne auf keinen Fall mit einer Ackerfläche gleichgesetzt werden.

 

Ausschussmitglied Espelkott stellt den Antrag, zukünftig bei jeder notwendigen Straßenbaumaßnahme im Außenbereich einen „runden Tisch“ einzurichten, an dem die Verwaltung, die Politik und die betroffenen Anlieger teilnehmen. Dabei könne man dann sehen, ob eine geplante Maßnahme mit der Satzung zu regeln sei. Das Ergebnis könnte man dann später dem Fachausschuss und dem Rat zur Entscheidung vorlegen.

 

Dr. Grünewald rät davon ab, die Anlieger zu früh zu beteiligen. Zunächst werde doch von der Politik eine Straßenbaumaßnahme beschlossen. Erst danach könne festgestellt werden, ob es aufgrund der geltenden Satzung Schwierigkeiten bei der Umsetzung gebe. Erst dann könne geprüft werden, ob man die Baumaßnahme an die Satzung anpasse oder Wünsche der Anlieger berücksichtige und über eine Sonderregelung oder Satzungsänderung entscheide.

 

Fraktionsvorsitzender Weber warnt dringend davor, den Bürgern von Rosendahl den Eindruck zu vermitteln, dass für den Außenbereich eine „Extrawurst gebraten“ werde.

 

Ausschussmitglied Espelkott erklärt, dass grundsätzlich immer erst die aktuelle Satzungsregelung greifen müsse. Wenn aber die Frage aufkomme, ob ein Wirtschaftsweg statt der durchschnittlichen Breite von 3 m mit 4 m ausgebaut werden müsse, sollte es zu einer gemeinsamen Überlegung aller Beteiligten kommen.

 

Fachbereichsleiterin Roters führt aus, dass dies im Grunde genommen das tägliche Geschäft der Verwaltung sei. Ab einem bestimmten Zeitpunkt im Verfahren würden die Anlieger auf jeden Fall beteiligt.

 

Ausschussmitglied Espelkott weist darauf hin, dass er zuvor einen Antrag gestellt habe, über den abgestimmt werden müsse.

 

Produktverantwortliche Brodkorb bietet an, auf jeden Fall in Zweifelsfällen ausführlich vorzuberaten.

 

Fraktionsvorsitzender Steindorf sieht keine Notwendigkeit für den Antrag von Herrn Espelkott und der Gründung eines zusätzlichen Gremiums. Er schlägt vor, die Straßenbaubeitragssatzung zunächst in der jetzt verabschiedeten Form zur Anwendung zu bringen.

 

Ausschussmitglied Espelkott zieht daraufhin den gestellten Antrag zurück.

 

Stellvertretener Ausschussvorsitzender Deitert bedankt sich abschließend bei Dr. Grünewald für seine ausführliche Beratung und Erläuterung.